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2. Erklärung an die Politik und die Öffentlichkeit „Lampedusa in Hamburg II“
Öffentliche Erklärung und Aufforderung zum ernsthaften Gespräch an die Hamburger Bürgerschaft und den Bürgermeister Olaf Scholz vom 14. Mai 2013
Sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrter Herr Bürgermeister Scholz,
angesichts der katastrophalen Situation, in der wir uns befinden und angesichts der Ignoranz gegenüber unserer Notlage und unserer Qualen, wenden wir uns an Sie, die politischen Vertreter und Vertreterinnen dieser Stadt, um in einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht eine Lösung für unser Problem zu erreichen.
Zunächst einige Informationen zum Hintergrund, die einerseits bekannt sind, andererseits unbeachtet bleiben.
Wir sind die Opfer des Kriegs in Libyen und Opfer der europäischen Flüchtlingspolitik.
2011, als die NATO mit den Bombardierungen in Libyen begann, war unser Leben dort zu Ende. Wir verloren alles, was wir uns aufgebaut hatten, wurden an die Mittelmeerküste gebracht, in Boote gesetzt und aufs Meer geschickt. In Italien lebten wir fast zwei Jahre in Flüchtlingslagern bis die italienische Regierung Anfang dieses Jahres alle Lager schloss und uns aufforderte, das Land in Richtung Nordeuropa zu verlassen. Es wurde uns zwar ein Aufenthaltstitel gemäß des humanitären Schutzes erteilt, gleichzeitig werden uns die daraus hervorgehenden Rechte aber verwehrt. Italien ist nicht in der Lage, den verbrieften Schutz umzusetzen und die anderen Länder der Europäischen Union sind nicht Willens dies zu tun.
Heute sitzen wir auf der Straße in den Ländern, die im Namen der Menschenrechte Kriege führen. Es war nicht unser Wille, nach Europa zu kommen, wir wurden dazu gezwungen. Wir alle haben in Libyen auf dem afrikanischen Kontinent gearbeitet und mit unserem Einkommen für unsere Familien und unsere Gemeinden gesorgt. Der Krieg der NATO hat alles auf den Kopf gestellt. Viele sind gestorben in Libyen und im Mittelmeer. Wir Überlebenden in Europa haben keine Wahl mehr. Wir sind jetzt hier, und wir werden bleiben. Kein europäisches Land kann sich der Verantwortung entziehen. Wir bleiben nicht Spielball der europäischen Politik. Wir verlangen die volle Anerkennung der Fakten und damit die volle Anerkennung unserer Rechte.
Jedoch erfahren wir bisher, dass kein Wille besteht, eine Lösung zu finden. Im Gegenteil, es wird versucht, uns unsichtbar zu machen, uns zu vereinzeln und uns der Verelendung zu überlassen.
Es wird jedem verständlich sein, dass wir das nicht stillschweigend ertragen können.
In Hamburg sieht unsere Situation so aus, dass wir jetzt seit genau vier Wochen auf der Straße leben, ohne Rechte auf Zugang zu medizinischer Versorgung, ohne Zugang zum Arbeitsmarkt, ohne Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und ohne jegliche materielle Basis. Unsere physische und psychische Integrität verschlechtert sich von Tag zu Tag. Als die Stadt Hamburg genau vor einem Monat am 15. April 2013 die Obdachlosenunterkunft „Pik As“ schloss, uns mit Bussen in die Stadt fuhr und uns auf die Straße setzte, wussten da die Verantwortlichen nicht, welche Probleme sie damit erzeugen würden? Uns wurde gesagt, dass das einzige, was wir bekommen würden, eine Fahrkarte zurück nach Italien sei. Wir glauben, dass die soziale und ökonomische Lage in Italien wie auch in anderen südeuropäischen Ländern hinlänglich bekannt ist und dass es dort keine Existenzmöglichkeit für uns mehr gibt. Wenn es die gäbe, wir wären nicht hier.
Also stellen wir die Frage erneut in den Raum. Was soll erreicht werden, wenn wir zwar ein Dokument des humanitären Schutz erhalten, uns aber jede Möglichkeit des Überlebens verweigert wird? Was kann jemand tun, dem alle Grundlagen entzogen werden? Sollen wir betteln oder sollen wir kriminelle Aktivitäten entwickeln? Es ist eine sehr gefährliche Situation, in die wir hineingestoßen wurden. Das erzwungene Leben auf der Straße erzeugt große Schäden an uns, aber es trifft auch die gesamte Stadt, denn es erzeugt zwangsläufig Probleme und Konflikte in den Nachbarschaften und den Stadtteilen. Hamburg ist eine sehr reiche Stadt, dieser Reichtum ist nicht zuletzt unserem Kontinent entnommen. Wir kommen nicht als Bittsteller, sondern im vollen Bewusstsein über die Zusammenhänge, die uns gegen unseren Willen hierher geführt haben. Niemand kann sich der Verantwortung entziehen und uns einfach ignorieren. Die Probleme müssen gelöst werden und unsere Rechte anerkannt werden. Der erste Schritt und unsere erste Forderung an die politischen Vertreter dieser Stadt ist ein Dach über unseren Köpfen. Daran schließt sich der Zugang zum Arbeitsmarkt an, damit wir uns versorgen können. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zu Bildung sollte ebenfalls selbstverständlich sein.
Wir haben den Krieg in Libyen nicht überlebt, um jetzt auf der Straße zu sterben. Wir appellieren eindringlich an alle Parteien und Institutionen, umgehend in direkten Kontakt mit uns zu treten und Lösungen zu finden. Unsere Obdachlosigkeit lässt keinen Aufschub zu.
In Vertretung der Gruppe der Flüchtlinge aus Libyen:
Affo Tchassei: 0176-717 402 36
Anane Kofi Mark: 0152-170 045 94
Asuquo Udo: 0152 146 725 37
Unterstützt von der KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen –Hamburg
Ralf Lourenco: 0176-303 66 55 9
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