Zwei Konferenzen (01. und 08. Februar) und Großdemonstration am 01. März 2014

web_plakat_lampedusaEine neue Phase in unserem Kampf!

Ein Jahr nach der Beendigung des EU Programms “emergencia Africa norte”, ein Jahr Leben auf der Straße, drei Jahre nach dem NATO Krieg in Libyen, drei Jahre seit dem Trauma des Krieges und dem Verlust von allem außer dem nackten Leben, zehn Monate des Kampfes für die Anerkennung unserer Rechte in Hamburg, zehn Monate zwischen der Solidarität aus der Gesellschaft und der Ignoranz durch die Regierung steht unser Leben und das unserer Familien immer noch auf dem Kopf. Mit fortschreitender Zeit ohne Veränderung unserer rechtlichen Situation, die uns ermöglichen würde, endlich ein „normales“ Leben zu beginnen, wächst die psychische Belastung auf die Mitglieder unserer Gruppe. Der Satz „Wir haben nicht den NATO Krieg in Libyen überlebt, um auf Hamburgs Straßen zu sterben“ wurde oft von Außenstehenden als übertrieben bezeichnet. Continue reading

Friends of Lampedusa

Anfang Dezember erfolgte ein Aufruf: „Die Gruppe “Lampedusa in Hamburg” möchte sichtbar machen, wie breit die Unterstützung für die Gruppe und ihre Forderungen ist. Dafür soll eine Liste von “Freund_innen von Lampedusa” auf der Internetpräsenz der Gruppe veröffentlicht werden.“

Darufhin haben sich bereits mehr als 170 250 ! Netzwerke, politische Gruppen, Einrichtungen, Vereine, Institutionen, Geschäfte, Bündnisse und Verbände gemeldet. Das ist großartig! Hier der aktuelle Stand vom 22.01.14.

Die Liste ist weiterhin offen. Wer also noch zu den FreundInnen der Gruppe Lampedusa in Hamburg gezählt werden möchte, schreibt an: fcsphilftlampedusa@gmx.de Wer sich als Privatperson solidarisieren möchte, kann dies gern bei der Aktion „Wir sind mehr“ tun.

Stellungnahme zu aktuellen Themen bezüglich unserer Politik – Diskussion um Gewalt

Hamburg, 18.12.2013. Wir wollen gerne die Gelegenheit ergreifen um über Gewalt zu sprechen, denn als Kriegsflüchtlinge aus Libyen waren wir Opfer von mehr als genug Gewalt.

Die brutale NATO-Intervention hat uns alles genommen, was uns lieb war. Wir verloren unsere Familien und verloren alles aus unserem früheren Leben. Wir erlebten Gewalt auf dem Mittelmeer und viele von uns liegen tot auf dem Meeresboden. Die unmenschliche Gewalt der Ungerechtigkeit dauerte in Italien an, wo wir unter körperlich und psychisch verheerenden Bedingungen lebten. Das Leben auf den Straßen Hamburgs; Kriminelle genannt zu werden; die Verweigerung grundlegender Menschenrechte; von der Polizei gejagt zu werden wie Tiere – das ist auch Gewalt. Was wir jetzt brauchen, ist eine Heilung von unseren gewalttätigen traumatischen Erfahrungen. Wir brauchen die Möglichkeit, unsere Leben wieder aufzubauen.

Deshalb wollen wir Alle bitten, Gewalt aus einer umfassenderen Perspektive zu betrachten. Dies bringt uns Alle näher an die Wahrheit.

Wir Mitglieder der Gruppe “Lampedusa in Hamburg” und unsere Unterstützer_innen glauben, dass friedliche Proteste der beste Weg sind, um unsere Ziele zu erreichen. Wir sind unseren Unterstützer_innen sehr dankbar: Frauen, Männer, Studierende und sogar junge Schulkinder, die zusammen gekommen sind, um sich uns auf gemeinsamen Solidaritätsaktionen anzuschließen. Wäre die Hilfe unserer Unterstützer_innen nicht gewesen, wären wir auf den Straßen Hamburgs gestorben. Stattdessen hat sich “Lampedusa in Hamburg” zu einer friedlichen Protestbewegung entwickelt, an der sich Tausende beteiligen.

Wir wollen darauf hinweisen, dass, obwohl so viele Menschen an unseren Demonstrationen teilnehmen, es nie zu Straftaten oder Gewalttaten kam. Dies zeigt die Disziplin, Selbstkontrolle und Kraft unserer friedlichen Protestbewegung. Gewalt auf der Straße wurde nicht von Mitgliedern von “Lampedusa in Hamburg” ausgeübt. Gewalt trat als Reaktion auf Staatsgewalt auf. Menschen sind von der Politik und den Methoden des Staates frustriert. Wir teilen die gleichen Frustrationen, haben aber eine andere Meinung, wie wir unsere Ziele am besten erreichen.

Es ist wiederholt vorgekommen, dass wir für Aktionen verantwortlich gemacht wurden, die in unserem Namen ausgeführt wurden. Wir wurden auch angehalten, diese zu kontrollieren und zu stoppen. Wir wollen eines klarstellen: Es ist für uns unmöglich, Disziplin unter den verschiedenen Protestierenden durchzusetzen. Außerdem finden wir es befremdlich, dass wir Probleme lösen sollen, die wir nicht verursacht haben – diese Gruppen sind Teil der deutschen Gesellschaft. Sie verleihen ihrer Wut Ausdruck, wie sie es schon immer getan haben, auch lange bevor es “Lampedusa in Hamburg” überhaupt gab. Wir weigern uns, für ihr Handeln verantwortlich gemacht zu werden.

Zum Thema Gewalt müssen wir noch eine weitere Anmerkung machen: Teile der Regierung und der Polizei scheinen daran interessiert zu sein, Gewalt in unsere wöchentlichen Demonstrationen hineinzutragen. Seit drei Wochen umringt mehr und mehr Polizei unsere friedlichen Proteste. Bei der letzten Demo wurden sogar Polizeihunde eingesetzt, die die Demonstrant_innen aggressiv anbellten. Die Bereitschaftspolizei marschierte teilweise in Körperkontakt mit den Teilnehmer_innen. Wir mussten die Demonstration unterbrechen, um die eskalierte Situation zu klären. Auf dem Weg zurück kletterte ein Demonstrant, der sich von den sich aggressiv gebärdenden Hunden provoziert fühlte, über die von der Polizei errichtete Absperrung.
Obwohl er keine Gefahr für die Dutzenden Polizist_innen hinter der Absperrung darstellte, ließ ein Beamter seinen Hund von der Leine und er attackierte den Demonstranten. Die anderen Teilnehmer_innen protestierten lautstark und die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock.

Seit mehr als sieben Monaten demonstrieren wir nun entschlossen und friedfertig. Die Polizei weiß das selbst am besten. Doch der Senat weigert sich nach wie vor, unseren berechtigten Forderungen nachzukommen, die von tausenden Hamburger_innen unterstützt werden. Nun scheint es, als wolle die Hamburger Regierung die öffentliche Aufmerksamkeit von unserer katastrophalen Lage und unserem Kampf um Gerechtigkeit ablenken, und stattdessen ein Bild von uns zeichnen, das uns als gewalttätig darstellt. Und das, obwohl sie selbst uns Gewalt antun, indem sie uns verweigern, ein neues Leben aufzubauen. Die Absicht, die dahintersteckt, die Proteste eskalieren zu lassen, ist ziemlich deutlich: Menschen sollen Angst bekommen, sich unseren Protesten anzuschließen, Demoteilnehmer_innen kriminalisiert werden, und es soll vom politischen Inhalt unserer Demonstrationen abgelenkt werden.

Wir sind uns sicher: Auf unserer 4. Adventsdemo am Samstag (21.12.) würden weitere Provokationen stattfinden, allein aufgrund des massiven Polizeiaufgebots, mit dem die Stadt auf die Mobilisierung für den Erhalt des linken Kulturzentrums “Rote Flora” reagiert. Doch wir werden nicht zulassen, dass mit unserem Protest dieses Spiel getrieben wird. Darum werden wir statt der Demo nur eine Kundgebung – ab 12 Uhr am Protestzelt – abhalten. Alle Unterstützer_innen sind herzlich willkommen!

Kommentar zum Angebot des Senats

Wir wollen hiermit noch einmal den „Vorschlag des Senats“ aus rechtlicher und menschlicher Sicht kommentieren, da es viel Verwirrung darum gab, dass dieser annehmbar sei.

 In der jetzigen Form bietet der Vorschlag, entgegen den Aussagen der Senatsmitglieder und der Abgeordneten der SPD, keinerlei rechtliche Sicherheit und auch keine Lebensperspektive für die Gruppe Lampedusa in Hamburg.

Der Senatsvorschlag beinhaltet, dass wir Flüchtlinge der Gruppe Lampedusa in Hamburg einzeln Anträge auf Aufenthalt stellen und dann eine Duldung für die Dauer des Verfahrens erhalten sollen. Das Verfahren kann durch sämtliche gerichtliche Instanzen und den Eingabeausschuss bis zu drei Jahren dauern.

Eine gemeinsame Grundlage für die Entscheidung soll es in diesem Verfahren nicht geben, d.h: es wurden keine die gemeinsame Fluchtgeschichte der Gruppenmitglieder betreffenden Kriterien benannt, bei deren Erfüllung ein Bleiberecht erteilt werden soll. Vielmehr wurde durch Behördenvertreter sowie Senatsmitglieder und Oberbürgermeister Scholz immer wieder darauf hingewiesen, dass gemäß der alle Mitglieder der Gruppe betreffenden gemeinsamen Fluchtgeschichte kein Recht auf Aufenthalt erteilt werden soll und die Anträge dem entsprechend negativ beschieden werden würden.

Was also bleibt, ist das Angebot einer Duldung für die Dauer des Verfahrens. Eine Duldung bedeutet jedoch nichts weiter als einen befristeten Schutz vor Abschiebung. Eine Duldung kann jederzeit widerrufen werden und beinhaltet keine Arbeitserlaubnis (bzw. frühestens nach 1 Jahr) oder weitere Rechte. Viele Flüchtlinge leben seit bis zu zwischen 10 und 20 Jahren mit einer Duldung in bundesdeutschen Flüchtlingseinrichtungen. Sie verzweifeln, da sie keine Lebensperspektive haben und nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Durch eine am 1. Dezember 2013 in Kraft tretende Neuregelung des Asylverfahrensgesetzes besteht zudem die Gefahr, dass die behördliche Zuständigkeit für die Mitglieder der Gruppe zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg wechselt. Dadurch könnten dann sämtliche Versprechungen aus Hamburg hinfällig werden.

Während des Verfahrens, das der Senat vorschlägt, sollen wir als Antragsteller vermeintlich vor Abschiebung geschützt sein und nach neun Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten können. Eine Arbeitserlaubnis wird aber nur dann erteilt, wenn für die jeweilige Arbeitsstelle keine bevorrechtigten Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass wir mit einer Duldung faktisch keine Chance auf eine Arbeitserlaubnis haben.

Für die Zusagen, insbesondere einer Duldung für die Dauer des Verfahrens – durch die parlamentarische bzw. Senatsebene wollten die Behördenvertreter in Gesprächen jedoch keine rechtsverbindliche Sicherheit geben. Da es in diesem Rahmen dazu schlicht und einfach keine rechtliche Möglichkeit gibt. Zudem haben sowohl Behördenvertreter als auch Senatsmitglieder und Oberbürgermeister Olaf Scholz immer wieder betont, dass letztendlich für uns nur eine Abschiebung nach Italien oder sogar in unsere Heimatländer beabsichtigt ist. Auch unsere AnwältInnen sagen, dass der vom Senat vorgeschlagene Weg für die meisten von uns früher oder später zu einer Abschiebung führt.

Rechtlich besteht die Gefahr, dass unsere italienischen Papiere ihre Gültigkeit verlieren, wenn wir uns auf das vorgeschlagene Verfahren einlassen. Mit den italienischen Papieren haben wir allerdings einen humanitären oder politischen Schutzstatus innerhalb der Europäischen Union erhalten. Wir sind als Kriegsflüchtlinge anerkannt. In Italien besteht jedoch keine Möglichkeit zu überleben, da der „EU Hilfsfonds für Libysche Kriegsflüchtlinge“ im Dezember 2012 auslief – und wir darauf folgend genötigt wurden das Land zu verlassen.

Wir fragen uns warum die politisch „Verantwortlichen“ versuchen mit faktisch nicht durchführbaren Vorschlägen bzw. nicht umsetzbaren Zusicherungen Verwirrung zu stiften.Der Senat kann sich nicht über die Gesetze stellen. Der Vorschlag beinhaltet Aspekte die den rechtlichen Regulierungen widersprechen. Der Gesetzgeber hat der Politik aber ein Gesetz an die Hand gegeben, um für bestimmte Gruppen und Situationen, ein vereinfachtes Verfahren für eine Gruppenlösung anzuwenden – das ist der §23 Aufenthaltsgesetz.

Gemäß Paragraph 23 des Aufenthaltsgesetzes kann uns ein Aufenthaltsrecht gegeben werden. Dieser Paragraph ist für Kriegsflüchtlinge gemacht und wurde in einer Vielzahl von Fällen bereits angewandt. Aufgrund humanitärer oder völkerrechtlicher Gründe kann demgemäß Gruppen mit einem gemeinsamen Schicksal ein Aufenthaltsrecht erteilt werden. Diese Regelung ist der rechtsstaatlich vorgesehene Weg für Menschen in unserer Situation. In einem Verfahren gemäß § 23 werden natürlich auch die Identitäten offengelegt. Dem Senat fehlt lediglich der politische Wille ihn auch bei uns anzuwenden.

Auch 111 AnwältInnen aus Hamburg haben auf einer Pressekonferenz und in einer Erklärung zum Ausdruck gebracht: „Wir fordern den Senat auf, hierfür (für die Gruppe Lampedusa in Hamburg) das vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Instrument des § 23 Aufenthaltsgesetz zu nutzen. Dies ist der einzige Weg, um den Betroffenen Gewissheit über ihr aufenthaltsrechtliches Schicksal zu verschaffen und klarzumachen, ob ein politischer Wille besteht, die humanitäre Notlage zu beenden.“

Die AnwältInnen stützen unsere Argumentation, große Teile der HamburgerInnen unsere Forderungen. Deshalb setzen wir uns weiter für eine Gruppenlösung gemäß § 23 Aufenthaltsgesetz ein und fordern den Senat auf sich auf einen ernstgemeinten Dialog einzulassen, anstatt Angebote zu machen, die nicht annehmbar und in der dargebotenen Form gar nicht umsetzbar sind.

Unsere Traumatisierung durch Krieg und Flucht und unser Recht auf Aufenthalt und Arbeit sowie ein menschenwürdiges Leben werden ignoriert. Eine Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben, hat uns der Senat zu keinem Zeitpunkt angeboten. Deshalb gibt es für uns nur die Möglichkeit das zweifelhafte Angebot des Senates abzulehnen.

Jeder von uns sehnt sich nach Ruhe, nach einer Normalisierung, nach etwas Stabilität und vor allem einer Perspektive und dem Ende der Unsicherheit. Wir stützen uns weiterhin gegenseitig und auf die Herzlichkeit und Aufrichtigkeit großer Teile der Hamburger Bevölkerung.

Aktuelles zu den Adventsdemos

Einige Presseberichte der vergangenen Tage haben zu Verwirrung über die Adventsdemonstrationen der Gruppe “Lampedusa in Hamburg” geführt. Die Demonstrationen am 30.11. , 07.12. , 14.12. und am 21.12. finden auf jeden Fall statt und beginnen jeweils um 12 Uhr am Protestzelt (Steindamm 2).

Zur Demo am 21.12. schreibt das Hamburger Abendblatt am 02.12. fälschlicherweise: „Am 21. Dezember findet die Abschlussdemonstration statt, für die laut Aussage der Polizei derzeit auch überregional Unterstützer der Lampedusa-Gruppe mobilisiert werden. Die Demonstration drei Tage vor Weihnachten soll sich auch für den Erhalt der baufälligen Esso-Häuser, gegen Gefahrengebiete und gegen „Angriffe“ auf die Rote Flora richten.
Tatsächlich handelt es sich um zwei verschiedene Demos.
Am 21.12. führt Lampedusa in Hamburg die vierte Adventsdemo durch.
Am selben Tag zu anderer Uhrzeit findet in Hamburg eine weitere Demo statt: Rote Flora verteidigen – Esso-Häuser durchsetzen! Gegen rassistische Zustände – Bleiberecht für alle!

zur Demoroute:
Die Versammlungsbehörde hatte lediglich die Demonstrationsroute durch die Mönckebergstraße untersagt und stattdessen eine Alternativroute ( Steindamm – Adenauerallee – Glockengießerwall – Ballindamm – Jungfernstieg – Neuer Jungfernstieg – Lombardsbrücke – Glockengießerwall – Adenauerallee – Steindamm) vorgegeben. Begründet wurde die Änderung der Route mit “unmittelbaren Gefahren für die öffentliche Sicherheit” und einem “Nutzungskonflikt” mit den vom Citymanagement Hamburg veranstalteten Weihnachtsparaden durch die Innenstadt.

Gegen das Verbot der gewünschten Demonstrationsroute wurde Widerspruch eingelegt, den das Verwaltungsgericht in erster Instanz negativ beschied. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wird für Morgen, Freitag den 29.11.13 , erwartet.

Die Demonstrationen der Gruppe “Lampedusa in Hamburg” finden so oder so statt, entweder auf der Alternativroute oder direkt durch die Innenstadt. Kommt zahlreich und zeigt eure Solidarität – “Lampedusa in Hamburg” is here to stay!

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Der Senat weigert sich weiterhin, unser Problem zu lösen – wir demonstrieren für unsere Rechte!

Am 27.11.2013 wird die letzte Mittwochsdemo unter dem Motto “Lampedusa in Hamburg – We are here to stay!” stattfinden. Stattdessen ruft die Gruppe “Lampedusa in Hamburg” an allen vier Advents-Samstagen zu Demonstrationen durch die Innenstadt auf.

Advents-Demonstrationen

30.11 | 07.12. | 14.12. | 21.12.

immer um 12 Uhr am Protestzelt (Steindamm 2, Hamburg-HBF)

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Die Berichterstattung um die Gruppe “Lampedusa in Hamburg” ist seit einiger Zeit von Ereignissen an der St.Pauli-Kirche geprägt. Wir möchten darauf hinweisen, dass die Kirche nur EINE der Unterkünfte der Mitglieder der Gruppe ist und die Öffentlichkeitsarbeit der Kirche nicht die Meinung der Gruppe repräsentiert.

Es ist richtig, dass einige der in der Kirche untergebrachten Mitglieder der Gruppe Anträge auf humanitären Aufenthalt gestellt haben – der Großteil davon unfreiwillig im Rahmen der rassistischen Kontrollen, die im Oktober stattfanden. Die große Mehrheit der Gruppe schenkt dem Angebot des Hamburger Senats aber keinerlei Vertrauen! Die vom Senat vorgeschlagene „Lösung“ mit der Duldung ist für uns inakzeptabel.

Wir können uns vorstellen, was dem Senat an der neuen Position von uns Geflüchteten gefällt: Von Subjekten, die selbstbewußt die ihnen zustehenden Rechte einfordern, werden wir zu harmlosen Bittstellern gemacht, die blind auf die Gutmütigkeit der Herrschenden hoffen. Kein Wort mehr davon, dass eben diese Regierung uns im kalten April auf die Straße gesetzt hatte, unser Leid und die Bedrohung unserer Leben monatelang ignorierte und uns zuletzt durch die rassistischen Kontrollen noch stärker unter Druck setzte.

Zur Erinnerung: Das Angebot besteht darin,

  • individuelle Anträge auf humanitären Aufenthalt stellen zu können,

  • für die Dauer des Verfahrens eine Duldung zu erhalten und

  • staatlich versorgt zu werden

  • sich bei einer Ablehnung des Antrags darauf verlassen zu können, nicht abgeschoben zu werden, bis der Widerspruch alle Gerichtsinstanzen durchlaufen hat („Verfahrensgarantie“)

Wir und unsere AnwältInnen sagen dazu:

  • Der Senat betonte wiederholt, dass das Ergebnis der allermeisten Anträge aus der Gruppe über kurz oder lang eine Ablehnung sein wird. Zuletzt hat das Senator Neumann auf seiner Homepage offen ankündigt.

  • eine Duldung ist keine Lebensperspektive, keine Garantie für irgendetwas. Wir wissen, dass in Deutschland Menschen jahrelang mit einer Duldung in Lagern leben müssen und dort wegen der Angst vor der ständig drohenden Abschiebung langsam den Verstand verlieren. Wir wollen aber endlich ankommen und Sicherheit für unsere Leben haben!

  • wir wollen arbeiten und nicht von staatlichen Leistungen abhängig sein!

  • Selbst wenn wir das Ende eines rechtsstaatlichen (wahrscheinlich jahrelangen) Verfahrens um unseren Aufenthalt noch hier erleben dürfen, ohne vorher abgeschoben zu werden – was kommt danach?

Das Angebot des Hamburger Senats würdigt in keiner Weise, dass wir bereits in Europa anerkannte Kriegsflüchtlinge sind, die ein NATO-Krieg – an dem sich auch Deutschland beteiligte – zur Flucht zwang. Die menschenunwürdigen Lebensbedingungen, mit denen wir und viele andere Geflüchtete in Italien konfrontiert waren, sind die Folge des Versagens des europäischen Flüchtlingsschutzes. Die Situation in Italien findet beim Senat lediglich auf dem Papier Berücksichtigung. Doch gerade vor diesem Hintergrund muss und kann Hamburg auch konkret Verantwortung übernehmen, indem es die gesetzlich möglichen Handlungsspielräume für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nutzt. Der §23 wäre eine solche politische Möglichkeit für den Senat und wir halten dementsprechend weiter an unserer Forderung nach einer kollektiven Gruppenlösung auf der Grundlage dieses Paragraphen fest.

Wo die fortdauernde unmenschliche Situation der Gruppe “Lampedusa in Hamburg” unter den Teppich gekehrt werden soll und der Senat eine Falle als Lösung einer humanitären Katastrophe verkauft, muss der Übergang zum politischen Alltagsgeschäft gestört werden. Deshalb rufen wir dazu auf, dem Senat mit langem Atem immer wieder zu zeigen, dass die einzige annehmbare Lösung das kollektive Aufenthaltsrecht für unsere Gruppe ist!

Kommt zu den Demos und zeigt eure Solidarität! Gemeinsam erkämpfen wir die Änderung der inhumanen und lebensgefährlichen Abschottungspolitik in Hamburg und Europa!
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Richtigstellung zum Artikel vom 19.11.13 auf Spiegel-online

„Offener Brief: Hamburger Lampedusa-Flüchtlinge kritisieren Kirche“

 Dort heißt es:
„Flüchtlinge der „Lampedusa-Gruppe“ in Hamburg haben in einem offenen Brief die evangelische Kirche kritisiert. Sie habe die Forderung des Senats akzeptiert, dass die Flüchtlinge sich bei der Ausländerbehörde registrieren lassen sollen. Damit habe die Nordkirche dem Druck nachgegeben.“

Leider nicht zum ersten Mal wird in einem Medium unsere Situation und Position falsch wiedergegeben. Wir möchten nun darauf und auf andere Vorwürfe und ungenaue Darstellungen eingehen, die wir schon oft gehört haben. Dafür haben wir auf dieser Seite eine neue Rubrik „Fragen und Antworten“ erstellt.

Die Gruppe Lampedusa in Hamburg verweigert keinesfalls eine „Registrierung“, denn davon ist in dem „Angebot“ des Senates auch nicht die Rede. Es geht nicht darum, nirgends unsere Namen anzugeben oder uns beim Einwohnermeldeamt zu registrieren.
Vielmehr sollen wir ein Antragsverfahren durchlaufen, von dessen Ausgang der Innensenator jetzt schon sagt: „Nach allem, was wir wissen, ist unwahrscheinlich, dass die Männer in Deutschland bleiben können, weil sie bereits in Italien Zuflucht gefunden und dort humanitäre Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis erhalten haben.“

auch auf die Kommentare möchten wir eingehen:

„Was dachten diese Leute denn, wie sonst Asylverfahren laufen? Klar werden die Personen erfasst, die hier einen Asylantrag stellen“
Nein, es geht hier nicht um einen Asylantrag, da Asylanträge von Menschen gestellt werden, die politisch verfolgt werden. Wir fordern jedoch ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen. Dieses Aufenthaltsrecht leitet sich aus unserem von allen Gruppenmitgliedern geteilten Schicksal ab.

 „Ich finde, dass wir wesentlich mehr Asylanten aufnehmen könnten und auch sollten- aber ein Gruppenasyl?? Da frage ich mich warum?“ -
Auch hier: Es geht gar nicht um Asyl! Es geht darum, uns als Gruppe einen humanitären Aufenthalt zu geben, da alle von uns die gleiche Geschichte haben. Das erspart die Prüfung vieler Einzelfälle.
Und eine Gruppenanerkennung ist gesetzlich im §23 des Aufenthaltsgesetzes vorgesehen – sie ist also kein Konstrukt, das wir uns extra für uns selbst ausgedacht haben. Über 100 Anwältinnen und Anwälte haben gerade für die Anwendung dieses §23 argumentiert, siehe hier.

“ findet sich denn keiner aus der Unterstützerszene bereit, diesen Menschen zu erklären, dass es das Normalste der Welt ist, sich zu registrieren um anerkannt zu werden.“ -
Eine Anerkennung hat nichts mit einer „Registrierung“ zu tun, sondern allein mit dem politischen Willen, uns anzuerkennen. Diesen Willen können wir bei der Hamburger Regierung nicht erkennen. Wir sehen allein den Willen, uns wieder loszuwerden.
Das „Angebot“ des Senats beinhaltet in keiner Weise eine Würdigung unserer Gründe. hierzubleiben: Als in Europa anerkannte Flüchtlinge wurden und werden wir dennoch in Europa hin- und hergestoßen. Das wollen wir beenden, wir wollen einfach irgendwo ankommen und leben können.
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15.11.13 Erklärung der Hamburger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu der politischen Forderung der Gruppe Lampedusa in Hamburg

Wir unterstützen die Forderung der Gruppe Lampedusa in Hamburg, ihre humanitäre Notlage durch eine Bleiberechtsregelung nach § 23 AufenthG zu lösen.

§ 23 AufenthG soll den zuständigen Behörden die Reaktion auf eine humanitäre Notlage ermöglichen, die eine bestimmte Gruppe von Personen betrifft. Mit dem Erlass einer Anordnung nach § 23 AufenthG kann eine Landesbehörde Kriterien definieren, unter denen sie aus humanitären Gründen im Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium ein Bleiberecht gewährt. Dieses Vorgehen schafft Transparenz und Rechtssicherheit.

Dass die Anwendung einer gesetzlichen Regelung ein rechtsstaatliches Verfahren ist, bedarf normalerweise keiner Erwähnung. Doch durch die jüngsten Äußerungen der politischen Akteure in der Diskussion um die Forderungen der Gruppe in Lampedusa in Hamburg sehen wir uns als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte veranlasst, Folgendes klarzustellen.

Der Rechtsstaatsgedanke ist Teil des Grundrechtskonzepts, das entwickelt wurde als Konzept der Abwehrrechte des Einzelnen gegen staatliche Eingriffe. Rechtsstaatliche
Garantien wie z.B. das Recht auf effektiven Rechtsschutz, das Recht auf ein faires Verfahren oder die Selbstbelastungsfreiheit sollen die Menschen vor Eingriffen in ihre Grundrechte und staatlicher Willkür schützen. Mit Besorgnis nehmen wir zur Kenntnis, dass der Begriff des Rechtsstaats in der jüngsten Debatte zunehmend genutzt wird, um Repressionen gegen Einzelpersonen zu legitimieren.
Aus dem Rechtsstaatsbegriff folgt insbesondere Folgendes: (…)
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17.11.13 Offener Brief an die Nordkirche und die christlichen Gemeinden

Wir bedanken uns sehr für die große Unterstützung aus den christlichen Gemeinden in Hamburg. Insbesondere die Unterbringung und Versorgung in St.Pauli aber auch in vielen anderen Stadtteilen. Besonders danken wir der afrikanischen Gemeinde der Erlöserkirche Borgfelde, die uns jede Woche zweimal mit warmem Essen versorgt und stets den Kirchraum für unsere Versammlungen offen hielten. Wir schätzen es so hoch wie ihr alle seit Monaten uns helft zu überleben und wie viele von Euch mit uns zusammen für unser Aufenthaltsrecht protestieren.

Auch deswegen konnten wir in unserem offenen Brief an den Senat sogar vorschlagen, dass eine Anwendung des § 23 – Gruppenanerkennung – auch unter Ausschluss von Sozialleistungen für uns vorstellbar wäre. Viele von uns würden längst arbeiten, viele lernen seit Monaten die Sprache, die jungen unter uns könnten Ausbildungen machen. Zusammen mit den vielen Menschen an unserer Seite könnten wir, diejenigen von uns, für die es schwierig sein kann, Arbeit zu finden, weitere Zeit unterstützen. Dass dies möglich ist, hat uns die breite und andauernde Solidarität der letzten Monate gezeigt.

Aber es geht um alle von uns, es geht um eine Gruppenanerkennung. Wir haben alle eine gleiche traumatische Geschichte in gleicher Zeit, die von Libyen nach Lampedusa und Italien geführt hat. Dort wurde dies bereits anerkannt. Wir sind Europas anerkannte Flüchtlinge und brauchen das Recht, leben und arbeiten zu können. Seit fast 3 Jahren sind nicht nur wir, sondern auch unsere Familien in großer Not. Wir kämpfen für unser Recht, unser Leben neu aufzubauen. Dafür steht unsere Gruppe der libyschen Kriegsflüchtlinge „Lampedusa in Hamburg“. Das haben wir immer gesagt. Wir haben auch gesagt, dass jede Hilfe, Unterstützung und Rat willkommen ist. Aber wir mussten auch immer wieder klar stellen, dass wir selbst über unser Schicksal und unsere Zukunft entscheiden, dass wir Opfer der Ungerechtigkeit und Kämpfer für Gerechtigkeit sind. (…)
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