In diesen Wochen wird in Hamburg ein neuer Senat gebildet. Wir, die Gruppe Lampedusa in Hamburg, sind vom Vorgängersenat fast zwei Jahre lang ignoriert worden. Aber wir sind noch immer in dieser Stadt, eine politische Lösung für unsere Probleme steht weiterhin aus.
Wir arbeiteten und lebten gut in Libyen, bis der ungerechte NATO-Krieg 2011 unsere Existenzen zerstörte. Wir verloren alles und wurden zur Flucht über das Mittelmeer gezwungen. Diejenigen von uns, die überlebten, kamen in Italien in Lagern unter. Diese Lager wurden Anfang 2013 geschlossen und wir wurden auf die Strasse gesetzt. Als Gruppe sind wir durch dieses gemeinsame Schicksal vereint. Wir wurden als Kriegsflüchtlinge anerkannt und bekamen italienische Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse. Aber die Behörden dort sagten uns, dass wir das Land verlassen und es anderswo in Europa versuchen sollen. Einigen wurde sogar Geld für Reisetickets gegeben. Sie ließen uns in dem Glauben, mit unseren Papieren in ganz Europa arbeiten zu können. In Italien gibt es nichts für uns, keine Arbeit und keine Zukunft. Dort erwartet uns und viele andere Geflüchtete nur Obdachlosigkeit und Elend. Wir verstehen nicht, warum unsere italienischen Papiere in Deutschland nicht anerkannt werden, warum wir nicht einmal arbeiten dürfen.
Hier in Hamburg kämpfen wir nun schon seit fast zwei Jahren für unser Recht, unser Leben endlich wieder aufbauen zu können. Wir dürfen nicht arbeiten, zum Überleben sind wir auf die Solidarität der Hamburger Bürger*innen angewiesen. Viele leben noch immer auf der Strasse, über 100 von uns sind notdürftig bei Unterstützer*innen privat untergekommen. Die Duldung, die uns die Behörden anbot, ist keine Verbesserung unserer Situation. Sie ist nur eine temporäre Aussetzung der Abschiebung, nichts weiter. Wir sollten erneut in individuelle Asylverfahren gezwungen werden, obwohl wir bereits durch ein EU-Land als Kriegsflüchtlinge anerkannt sind. Für den Ausgang der Verfahren gab es nie eine Garantie. Im Gegenteil, Behördenmitarbeiter äußerten uns gegenüber eindeutig, dass eine Ablehnung der Einzelfälle und die Abschiebung sehr wahrscheinlich sein würde. Das war nicht akzeptabel. Dafür haben wir und tausende Hamburger Bürger*innen nicht monatelang gekämpft. Die Duldung wurde von der absoluten Mehrheit unserer Gruppe abgelehnt. Nur wenige ließen sich auf das Verfahren ein und es gibt bis jetzt keine Entscheidung über ihre Fälle, geschweige denn die kleinsten Anzeichen für einen positiven Ausgang.
Wir wollen nichts weiter als endlich das Recht, hier zu bleiben und zu arbeiten, um uns und unsere Familien wieder versorgen zu können. Wir fordern die europaweite Anerkennung unserer italienischen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Ist Italien nicht ein Mitglied der Europäischen Union? Oder gelten die europäischen Rechte nicht für alle?
Lampedusa in Hamburg, February 2015
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