Die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ eint ein gemeinsames Schicksal: Sie sind alle aus verschiedenen Ländern, zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen existenziellen Gründen nach Libyen gegangen. Dort haben sie gelebt und gearbeitet – auch noch als bereits Kämpfe zwischen Rebellengruppen und Regierungskräften ausgebrochen waren. Mit dem Eintritt der NATO in den Konflikt eskalierte der Krieg im ganzen Land und zwang tausende zur lebensgefährlichen Flucht übers Mittelmeer. In Italien angekommen wurden sie im Rahmen des EU-Programms “Notstand Nordafrika” (emergenza nordafrica) minimal versorgt. Sie durchliefen den Prozess der Einzelverfahren und erhielten Aufenthalt und italienische Dokumente, die ihren Schutzstatus garantieren. Aber kurz danach wurde das Notprogramm beendet. Die italienischen Behörden setzten sie im Winter 2012 auf die Straße, erklärten, dass es keine Lebensperspektive dort für sie mehr gäbe. Sie wurden aufgefordert in andere Länder der EU zu gehen. Einige erreichten Hamburg und kamen vorübergehend im Winternotprogramm der Stadt unter. Als dieses im April 2013 schloss, wurden die Geflüchteten einfach auf die Straße gesetzt. Dort organisierten sie sich und begannen den Kampf um ihre elementaren Menschenrechte und ein Bleiberecht, dessen Ende Monate später immernoch nicht absehbar ist. Ein Mitglied der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ schildert die kollektiven Erfahrungen so:
In Lampedusa waren wir 7.000 Personen in einem Lager für etwa 900 Personen. Dennoch bemühen sich die Leute dort. Aber sie bekommen aus der EU keine Unterstützung. Das Dublin II System – Verbleib im Land der Erstankunft – verletzt unsere Menschenrechte. Es zwingt uns auf der Straße zu leben und zu sterben. Nach Anerkennung unseres Flüchtlingsstatus hat uns Italien im Winter 2012 auf die Straße geworfen. Sie haben uns aufgefordert, Italien zu verlassen. Sie sagten: die EU ist groß, geht und findet euren Weg. Hier gibt es nichts mehr für euch. Und so war es dann, mit nichts im Schnee und Eis haben wir uns auf den Weg gemacht, nach Frankreich, Skandinavien, in die Schweiz und nach Deutschland. Wir sind anerkannte Flüchtlinge aus einem Krieg, an dem die Europäischen Staaten sich beteiligt haben und dennoch tun sie so, als würden wir nicht existieren. Aber wenn wir uns zeigen und unsere Situation sichtbar machen, will man uns abschieben. In Italien können wir betteln, hungern, stehlen, Straßenjunge werden oder einfach sterben, Hauptsache, das Dublin II System wird umgesetzt. Es ist schmerzhaft, nachdem wir in Libyen unser Leben stabilisieren konnten, erneut ums Überleben kämpfen zu müssen – in den Ländern, die sich als große Demokratien bezeichnen.“
Interview zum Thema mit Affo Tchassei Lampedusa in Hamburg – Interview with Affo Tchassei von The VOICE Refugee Forum Network.