LAMPEDUSA in HAMBURG
c/o Infozelt, Steindamm 2, Hamburg-Mitte
10.07.2013
an die Gewerkschaft ver.di und alle Arbeiter_innen, die offen dafür sind uns zuzuhören
Seitdem wir nach Hamburg kamen, haben wir viele Menschen und Organisationen der Zivilgesellschaft getroffen. Als die Politiker_innen ihre Ohren und Augen gegenüber unseren Leiden verschlossen, organisierten wir uns selbst und erhoben unsere Stimme in der Öffentlichkeit. Von Ressourcen und Rechten abgeschnitten fochten wir für das Überleben – nicht zum ersten Mal in unseren Leben – und wir fanden eine große Anzahl von Menschen und Organisationen der Zivilgesellschaft, die das verstanden und sich mit uns solidarisierten. Die humanitäre Hilfe, die der Hamburger Senat uns verweigerte, bekamen wir von der Kirche, von Moscheen, Initiativen und vielen einfachen Leuten, Bürger_innen von Hamburg. Dafür sind wir sehr dankbar. Aber unser Hauptziel ist es, dass unsere Rechte hier anerkannt werden, Grundrechte, die jeder Mensch braucht, um unser Leben wieder aufzubauen. In engem Kontakt mit Arbeiter_innen und Gewerkschaftsmitgliedern entschlossen wir uns dazu uns in der Gewerkschaft zu organisieren, weil wir alle Arbeiter_innen waren auf unserem Kontinent. Wir wissen die Unterstützung der Gewerkschaft im Sinne internationaler Solidarität sehr zu schätzen.
Während einige Politiker_innen falsche Informationen über uns verbreiteten um die Solidarität zu brechen und uns in ein schlechtes Licht zu rücken, gingen die Gewerkschaft und viele Menschen, die uns direkt kennenlernten, gegen diese falsche und heimtückische Propaganda gegen uns an.
Was wir seit dem Beginn des Krieges in Libyen, verstärkt durch die NATO-Intervention, erlebten, ist für niemanden leicht zu ertragen. Wir hatten das Glück zu überleben, während viele andere von uns ihr Leben verloren. Alles wurde bombardiert unter der Parole „ Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen“. Wir waren Teil dieser Zivilbevölkerung. Aber nach unserer erzwungenen Flucht von Libyen Richtung Lampedusa blieb uns nichts außer einem Dokument, das unseren humanitären Schutz garantiert. Konkret wurden wir in Italien auf die Straße gesetzt ohne jede Möglichkeit unsere Situation zu stabilisieren. Da wir die Verantwortung für unsere verheerende Situation bei der Europäischen Union als ganzer sehen, sind wir jetzt in verschiedenen europäischen Ländern, ohne Ressourcen und Rechte. Deshalb müssen wir für unsere Rechte kämpfen.
In Libyen haben wir alle in verschiedenen Bereichen und Berufen gearbeitet. Wir alle kamen mit unserem Leben zurecht, konnten unsere Familie ernähren und die Gemeinschaft unterstützen. Es gab viele Investitionen in Libyen. Wir arbeiteten auf dem Bau als Zimmerleute, Maurer, Gipser oder Fliesenleger, Klempner und Elektriker, wir arbeiteten in den Fabriken als Mechaniker, wir verdienten unser Geld als Automechaniker, Schweißer und Dienstleister wie als Friseure, im Sicherheitsdienst oder als Software-Techniker, einige von uns hatten ihre eigenen Läden. Wir hatten nie die Absicht nach Europa zu gehen. Nach verschiedenen Schwierigkeiten in unseren Herkunftsländern fanden wir in Libyen eine offene Gesellschaft, die unsere Arbeitskraft brauchte.
Wir waren nicht involviert in den politischen Konflikt, der im Land entstand und sich zu einem offenen Krieg entwickelte, als Frankreich und die USA und dann die NATO sich dafür entschieden, militärische Kräfte für einen Regierungswechsel einzusetzen. Wir saßen in der Falle und wurden zum Angriffsziel der Konfliktparteien, angeheizt durch die zweifelhafte Geschichte von Gaddafis Söldnern. Die Rebellen begannen Schwarze überall anzugreifen, zu berauben und zu töten. Heute erleben wir diese niederträchtige Anschuldigung, die vollkommen haltlos ist, wieder von einigen Politiker_innen. Sie bestreiten ihre Verantwortung und machen statt dessen zum wiederholten Mal die Opfer nieder.
Es ist leicht für sie falsche Informationen zu lancieren um ihre eigene Bevölkerung in die Irre zu führen.
Um uns selbst zu verteidigen und unsere Rechte zu erlangen müssen wir kämpfen. In der Gewerkschaft haben wir eine Partnerin gefunden, die die Ungerechtigkeit, die uns angetan wurde, realisiert und diesen Kampf mit uns zusammen führt. Wir möchten alle Mitglieder über die wahre Geschichte, die uns widerfahren ist, informieren, warum wir hier sind und warum wir das Recht haben zu bleiben. Es gibt keine andere Möglichkeit mehr. Wir fordern die Anerkennung unserer Gruppe „Lampedusa in Hamburg – Arbeiter_innen und Kriegsüberlebende aus Libyen“ nach §23 des Aufenthaltsgesetzes. Wir hoffen, mit den Gewerkschaftsmitgliedern und der Arbeiterbewegung starke und bewusste Partner_innen an unserer Seite zu haben. Zusammen mit der breiten Solidarität unter den Hamburger Bürger_innen werden wir die Traumatisierungen von Krieg und Flucht überwinden, um ein neues Leben anzufangen, auf eigenen Füßen zu stehen, zu arbeiten und unsere Familien zu unterstützen. United we stand, divided we fall.
Wir wollen der Gewerkschaft ver.di noch einmal unsere Dankbarkeit ausdrücken und all den Menschen, die die Werte ihrer Grundsatzerklärung teilen, die besagt, dass jeder Mensch frei von Armut und Elend, von Unterdrückung und Ausbeutung leben sollte. Jeder Mensch hat das Recht auf physische und psychische Unversehrtheit, auf humane Arbeits- und Lebensbedingungen, Akzeptanz und Respekt.
Und wie wir immer sagen, das Gesetz wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für das Gesetz. Wenn das Gesetz unsere Menschenrechte verletzt, muss es verändert oder abgeschafft werden.
Führt den Kampf zusammen mit uns, ladet uns ein um unsere Erfahrungen zu hören und mit uns zu diskutieren.
Lampedusa in Hamburg
Hamburg, den 10. Juli 2013
Sprecher:
Affo Tchassei: 0176-717 402 36
Anane Kofi Mark: 0152-170 045 94
Asuquo Udo: 0152-146 725 37
Friday Emitola: 0152-170 052 71