Erklärung des Solidarischen Winternotprogramms für „Lampedusa in Hamburg“
Der Senat behauptet, alle Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ seien entweder im individuellen Verfahren oder ausgereist. Das ist eine Lüge! Es gibt im Moment fast 40 private Initiativen, Gruppen und Wohnprojekte, die sich im Herbst entschlossen haben, Flüchtlinge aus dieser Gruppe zu Hause aufzunehmen. In jedem Schlafplatz schlafen mindestens vier, teilweise sogar 20 Personen. Über die im Winternotprogramm untergebrachten Menschen hinaus umfasst die Gruppe 385 Personen.
Wir standen im Herbst vor der Situation, dass der Senat den Flüchtlingen als einzige Option angeboten hat, sich individuell bei der Ausländerbehörde zu melden, um dort einen Antrag auf Asyl zu stellen oder humanitäres Bleiberecht zu beantragen. Der Senat weiß, dass nach europäischem Recht bei einem Antrag auf Asyl noch nicht einmal ein Asylverfahren in Deutschland eröffnet würde, sondern die Flüchtlinge sofort nach Italien abgeschoben würden. Dieses sogenannte Angebot kann deswegen nur als zynisch bezeichnet werden. Auch für einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht setzt die Hamburger Behörde so hohe Hürden, dass nur lebensbedrohliche Krankheiten, Minderjährigkeit und Schwangerschaft als zu prüfender Anerkennungsgrund gelten. Die Situation in Italien, dort auf der Straße zu leben, sind keine Gründe für ein humanitäres Aufenthaltsrecht und werden von der Behörde von vornherein abgelehnt.
Das sogenannte Angebot des Senats kam zu einer Zeit, als es immer kälter wurde und die Kirche anfing, beheizte Container als Winterschlafplätze aufstellen zu lassen. Der Senat verlangte, dass zu diesen Containern nur Menschen Zugang bekommen, die sich in das individuelle Verfahren begeben. Die Flüchtlinge sollten so erpresst werden, das Senatsangebot anzunehmen, da ihnen sonst Obdachlosigkeit im hereinbrechenden Winter gedroht hätte. Der Zynismus des Senats, der den Flüchtlingen nur die Wahl lässt zwischen einem völlig aussichtslosen Verfahren und der Obdachlosigkeit im Winter, macht uns fassungslos.
Wir wollten nicht abwarten, bis Flüchtlinge, die vor dem Krieg in Libyen und den unerträglichen Lebensbedingungen auf der Straße in Italien geflohen sind, in Hamburg auf der Straße erfrieren. Dass der Senat behauptet, alle Lampedusa‑in‑Hamburg‑Flüchtlinge haben sich entweder gemeldet oder seien nach Italien zurückgekehrt, ist für uns ein Schlag ins Gesicht. Es müsste für den Senat eine Selbstverständlichkeit sein, für eine angemessene Unterkunft und Versorgung der Flüchtlinge zu sorgen. Diese staatliche Aufgabe wird im Moment von der Zivilgesellschaft mit hohem persönlichem und finanziellem Engagement übernommen. Wir sind uns sicher, dass der Senat über die Polizei sehr wohl weiß, dass wir, Menschen aus allen möglichen Stadteilen, in unseren Wohnungen zusammen gerückt sind und den Flüchtlingen Gästezimmer oder Gemeinschaftsräume als Winternotquartier zur Verfügung stellen und damit ein solidarisches Winternotprogramm auf die Beine stellen.
Wir finden es unverantwortlich, dass der Senat den sichtbaren Kampf der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ für nicht mehr vorhanden erklärt. Nach wie vor ist es die Verantwortung der Stadt, eine politische Lösung für die gesamte Gruppe zu finden. Die Ignoranz des Senats in dieser Situation nehmen wir als selbstorganisiertes Winternotprogramm zum Anlass, explizit solidarisch die Stärke und die Wichtigkeit des Kampfes der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ zu betonen und zu unterstützen. Wir fordern den Senat deswegen auf, eine Aufenthaltsgewährung nach §23 Aufenthaltsgesetz zu erteilen und dafür das Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium herzustellen! Außerdem fordern wir den Senat auf, den Lampedusa-in-Hamburg-Flüchtlingen eine Arbeitserlaubnis zu erteilen!
Wir rufen alle auf, den Kampf der Flüchtlinge zu unterstützen und sich an der bundesweiten Demonstration am 1. März (13.00 Uhr am Hachmannplatz in HH/Hbf) zu beteiligen.
Das Solidarische Winternotprogramm Hamburg
16. Februar 2014
Lampedusa Soli-Warm-Up-demonstration am 14.02
Treffpunkt ist S-Bahn Sternschanze um 17:00 Uhr!
Die letzte „Warm up-Demo“ vor dem 1. März! We are here to stay!
Route: S-Bahn Sternschanze (Auftaktkundgebung) – Kleiner Schäferkamp – Schäferkampsallee – Weidenallee – Altonaer Str.- Schulterblatt – Neuer Pferdemarkt – Neuer Kamp – U-Bahn Feldstr. (Zwischenundgebung) – Glashüttenstr. – Marktstr. – Feldstr. – Sternstr. – Kampstr. – Schanzenstr. – S-Bahn Sternschanze (Abschlusskundgebung)
Kommt Samstag (25.01.) alle zu unserer nächsten Demo!
Treffpunkt: 14.00 Kemal-Altun-Platz, Altona
Egal, was der Hamburger Senat über die Medien verbreiten lässt, unsere existenzielle Notlage aber auch unsere Entschlossenheit, unsere Rechte zu erlangen, haben sich nicht verändert.
Aufruf als Flyer herunterladen
Es ist immer wieder erschreckend wie plump die Bevölkerung über die Wahrheit belogen oder getäuscht wird. Obwohl unser Protestzelt nach wie vor am Steindamm steht und tagsüber Treffpunkt für unsere Gruppe der libyschen Kriegsflüchtlinge„Lampedusa in Hamburg“, aber auch für andere Flüchtlinge, MigrantInnen und SympathisantInnen ist, behauptet die Innenbehörde, das „Problem“ Lampedusa in Hamburg hätte sich gelöst. Obwohl wir nach wie vor auf vielen Veranstaltungen eingeladen sind, über uns und unseren Überlebenskampf zu sprechen, will der Senat die Öffentlichkeit über unsere Existenz in der Stadt Hamburg täuschen. Vor allem möchte der Senat sich von der Kritik befreien, dass er uns fortgesetzt schwerem Leiden aussetzt, indem er uns unsere Menschenrechte verweigert.
Dazu werden dann auch Beschreibungen von uns in die Medien gebracht, die die Wahrheit über unsere Geschichte auf den Kopf stellen und die dazu dienen, ein Verständnis in der Bevölkerung für unsere Forderungen und unseren Protest negativ zu beeinflussen. Es ist eine bewusste Lüge des Innensenators Neumann, und es zeugt erneut von der rassistischen Grundhaltung uns gegenüber, wenn der Innensenator im Interview mit der Tageszeitung „die taz“ uns als „Arbeitsimmigranten aus Westafrika“ bezeichnet. Selbst die Zeitungsredaktion, obwohl sie oft über uns und unsere Geschichte berichtet hat, übernimmt dies widerspruchslos.
Viele halten krampfhaft fest an einem Wunschbild eines humanistischen, aufgeklärten, zivilisierten, demokratischen Europas. Dazu passt nicht, dass wir, die ehemaligen Arbeiter in Libyen und Opfer des Kriegs und der Intervention der NATO, heute auf Europas Straßen vegetieren. Die Heuchelei über Menschenrechte und Demokratie wird durch unsere Anwesenheit in Hamburg, einer der reichsten Städte Europas, und durch unsere elende Lage hier, offensichtlich. Deshalb wird die Wahrheit über unsere Geschichte, über unsere Vertreibung und Flucht von unserem Kontinent und über die Verantwortung, die Europa darin trägt, unterdrückt.
Wir sind Kriegsflüchtlinge, Überlebende des NATO Kriegs in Libyen. Wir hatten nie die Absicht nach Europa zu kommen. Wir hatten Arbeit und genug Einkommen, um uns und unsere Familien zu versorgen. Heute sterben Familienangehörige, weil wir trotz der Anerkennung des Flüchtlingsstatus in Italien nicht die Möglichkeit und in den anderen Ländern der EU nicht die Erlaubnis bekommen zu arbeiten. Wir sind keine Arbeitsimmigranten, wir sind hier, weil Europas Interessen mit Hilfe der NATO unsere Existenzgrundlage in Libyen zerstört hat.
Wir sind hier und wir bleiben hier. Daran hat sich nichts geändert. Mit den massiven rassistischen Kontrollen im Herbst letzten Jahres, sollte unsere Abschiebung nach Italien erzwungen werden. Die große Empörung und die vielfältigen Proteste aus der tatsächlich aufgeklärten Hamburger Bevölkerung halfen, die Angriffe auf unser Leben abzuwehren. Wir sollten gezwungen werden, eine Duldung zu beantragen unter der Ankündigung, dass unsere Gründe ohnehin nicht anerkannt werden. Wir lassen uns nicht abschieben. Wir verteidigen unser Recht auf Arbeit und Leben in Hamburg.
Nur einige wenige von uns haben sich der trügerischen Hoffnung und der falschen Beratung hingegeben, dass die Beantragung einer Duldung vielleicht eine individuelle Lösung bringen könnte. Doch wachsen bei ihnen schon wieder die Zweifel. Hieß es zuvor, dass sie eine Duldung für 2 Monate und danach für 6 Monate erhalten, haben sie wieder nur eine Verlängerung für 2 Monate erhalten. Das Arbeitsverbot besteht für sie weiterhin.
25 Personen der Gruppe der libyschen Kriegsflüchtlinge „Lampedusa in Hamburg“ haben diesen Weg gewählt. Alle anderen Mitglieder der Gruppe lehnen dies ab. 25 Personen der Gruppe der libyschen Kriegsflüchtlinge „Lampedusa in Hamburg“ wurden durch die Festnahmen bei den rassistischen Kontrollen gezwungen, über ihre Rechtsanwälte Anträge auf Aufenthaltserlaubnis zu stellen. Wir sind über 300 Personen, die weiterhin die Anerkennung unserer Rechte und eine Gruppenlösung nach § 23 Aufenthaltsrecht fordert.
Wir überleben weiterhin dank der großen Unterstützung aus der Bevölkerung in Hamburg. Viele Menschen haben uns für die Zeit des Winters Unterkunft gegeben. Unsere Entschlossenheit unsere traumatische und erzwungene Reise in Hamburg zu beenden, ist ungebrochen. Die Ungerechtigkeit, die uns geschieht, hat eine große Solidarität mit uns geschaffen. Nicht „Lampedusa in Hamburg“ ist das Problem. Das Problem ist die Haltung des Senats und sein Verstecken hinter Gesetzen, die dafür sorgen, dass wir und unsere Familien leiden.
Wir danken allen Menschen in der Stadt und darüber hinaus, die an unserer Seite stehen. Wenn wir zusammen stark bleiben, sind wir zuversichtlich,, im neuen Jahr 2014 eine konkrete Veränderung und Verbesserung unserer Situation zu erreichen. Wir lassen uns nicht spalten. Wir fordern eine Gruppenlösung, die alle von uns einschließt. Wir sind alle gleich, wir haben die gleiche Geschichte und das gleiche Leid erfahren.